Bezahlbarer Wohnraum ist in unserer Region zwischen München und Salzburg eine der drängenden sozialen Fragen. „Unter anderem junge Menschen und junge Familien finden in unserer attraktiven Region nur sehr schwer passende und auch bezahlbare Wohnungen“, so eingangs Dr. Bärbel Kofler, Parlamentarische Staatssekretärin und SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Traunstein–Berchtesgadener Land, bei der digitalen Fraktion vor Ort-Veranstaltung.
Gemeinsam mit Sören Bartol, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, diskutierte sie unter dem Titel „Wir zünden den Bau-Turbo“, wie der Bund Planungs- und Genehmigungsprozesse beschleunigen will, ohne kommunale Gestaltung und Schutzstandards auszuhebeln.
Bartol stellte den neuen „Bau-Turbo“ als befristetes Instrument vor, mit dem Kommunen schnelles Baurecht ermöglichen können, weil in bestimmten Fällen ohne langwierige Bebauungsplanverfahren gebaut werden kann. Voraussetzung ist, dass die Kommune zustimmt. „Das ist kein Bauen am Gemeinderat vorbei“, betonte Bartol. Die kommunale Planungshoheit bleibe vollständig erhalten. Über städtebauliche Verträge könnten Kommunen klare Vorgaben machen, etwa durch Bauverpflichtungen, Quoten für sozialen Wohnungsbau oder Anforderungen an die Gestaltung.
Wie das konkret aussieht, wurde in der sich anschließenden Diskussion mit Bürgerinnen und Bürgern deutlich: Eine Traunsteinerin fragte, wie bei neuen Wohnprojekten soziale Infrastruktur wie Kitas, Spielplätze oder ärztliche Versorgung mitgedacht wird. Bartol stellte klar: „Anlagen für kulturelle, gesundheitliche und soziale Zwecke“ könnten mit dem Bau-Turbo mitgeplant werden – ebenso Läden des täglichen Bedarfs. Zudem könnten Kommunen Investoren an den Kosten beteiligen, wenn Infrastruktur neu geschaffen werden muss.
Sehr präsent war in der Diskussion auch die Sorge um Standards. Eine Teilnehmerin aus Obing fragte, ob der Bau-Turbo „Bausünden wie in den 60er/70er Jahren“ begünstige. Bartol betonte, die Handlungsfähigkeit der Kommunen sei gerade der entscheidende Schutz: Wer Qualität und Quartierskonzepte wolle, könne dies im Vertrag festschreiben und die Kommune könne den Bau-Turbo natürlich auch nicht anwenden.
Aus Traunreut kam die Frage, ob Bauqualität und Sicherheitsstandards leiden. Bartol war wichtig, dass Bauordnungsrecht, Brandschutz, Statik, Abstandsflächen, Artenschutz und Baugenehmigung gelten weiterhin. „Hier wird nichts über Bord geworfen“, so der Abgeordnete.
Eine weitere Frage drehte sich um die tatsächliche Entlastung der Bauämter. Bartol verwies darauf, dass gerade die Aufstellung und Änderung von Bebauungsplänen viele Kapazitäten binde und der Bau-Turbo hier Zeit spare. Kommunale Verwaltungen könnten dadurch Luft für Beratung und Umsetzung gewinnen. Gleichzeitig machte der Staatssekretär deutlich: Formulare für eine Baugenehmigung würden nicht automatisch weniger, denn der Bau-Turbo verkürzt vor allem das Planungsrecht, nicht die Anforderungen der Bauordnung.
Besonders diskutiert wurden außerdem Lärm- und Gesundheitsschutz. Bartol erklärte, dass es künftig in begründeten Fällen mehr planerische Möglichkeiten geben solle, um Lärmkonflikte zu lösen. So könnten neue bauliche Lösungen, wie das besonders lärmschützende sogenannte „Hamburger Fenster“, Lärmschutz schaffen, ohne gesundheitliche Mindeststandards zu unterschreiten.
Auch die langfristigen Strukturfragen wie der Einsatz gegen Wohnungsleerstand kamen zur Sprache. Bartol nannte Beispiele, wie die Länder Leerstand stärker regulieren können. Er betonte die Bedeutung aktiver kommunaler Bodenpolitik, Möglichkeiten des Erbbaurechts sowie genossenschaftlichen und öffentlichen Wohnungsbau.
Eine Teilnehmerin brachte den Stadt-Land-Unterschied auf den Punkt: „Profitieren ländliche Gemeinden überhaupt?“ Bartol dazu: „Der Bau-Turbo gilt bewusst bundesweit. Gerade für Nachverdichtung, Aufstockung und Bauen in zweiter Reihe kann er im ländlichen Raum neue Möglichkeiten eröffnen.“
Dr. Kofler zog ein klares Fazit: „Der Bau-Turbo ist ein wichtiges Werkzeug, um schneller zu werden. Aber bezahlbares Wohnen gelingt nur als Paket aus Tempo, Förderung, sozialer Mischung und kommunaler Gestaltung. Genau dafür setzen wir uns hier vor Ort und in Berlin ein.“