Gute Arbeit weltweit – unter diesem Titel stand eine Diskussion mit der heimischen SPD-Bundestagsabgeordneten Dr. Bärbel Kofler, zu der vor kurzem der SPD-Kreisverband Berchtesgadener Land in den Gasthof Bürgerbräu in Bad Reichenhall eingeladen hatte. Die entwicklungspolitische Sprecherin der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion berichtete von ihren Erfahrungen in einer indischen Textilfabrik, in der sie im Rahmen eines Programms mehrere Tage arbeitete und auch bei einer indischen Familie lebte. In der Diskussion über ihren Vortrag trat Bärbel Kofler der Meinung entgegen, hohe Preise würden automatisch gute Löhne in den Herstellerländern bedeuten.
Der SPD-Kreisvorsitzende Roman Niederberger konnte zu der Veranstaltung eine Reihe von Kommunalpolitikern und viele Gäste aus dem Bereich der Eine-Welt-Arbeit im Landkreis begrüßen. Er erinnerte daran, dass Bärbel Kofler als Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit bei wichtigen Weichenstellungen der deutschen Entwicklungspolitik beteiligt ist. „Wir freuen uns darüber, dass auch vor Ort die Gelegenheit besteht, diese Arbeit näher kennen zu lernen und darüber zu diskutieren“, stellte er in seiner Begrüßung fest.
Bärbel Kofler war bei einer Produktionsstätte einer indischen Textilfirma in der Nähe von Delhi tätig, in der verschiedene Bereiche der Fertigung wie Spinnerei, Weberei und Färberei zusammengefasst sind. Sie begleitete drei Tage lang eine dort beschäftigte Näherin bei ihrer Tätigkeit und nahm auch selbst an der Produktion teil. „In den drei Tagen habe ich allerdings nur drei Hemden zustande gebracht, die auch die Qualitätskontrolle bestanden haben“, schilderte die Bundestagsabgeordnete.
Obwohl es in Indien einen je nach Bundesstaat unterschiedlichen gesetzlichen Mindestlohn gibt, reicht dieser für die Arbeiter nicht aus, um ihre Existenz zu sichern, berichtete die Abgeordnete. Arbeitsbedingungen und Lohn seien zwar bei der von ihr besuchten Firma besser als bei vielen Konkurrenzanbietern. Aber auch dort gab es keine Gewerkschaft und ein Diktat der Löhne durch den Arbeitgeber. Auch beim Arbeitsschutz war die Firma zwar ihrer Konkurrenz voraus, weil u. a. eine eigene Werksfeuerwehr besteht. Allerdings bestanden trotzdem viele Mängel und Gefahrenquellen für die Beschäftigten.
Um die Lebensbedingungen der Beschäftigten besser kennen zu lernen, lebte Bärbel Kofler während ihres Besuchs bei einer Textilarbeiterfamilie. Deren 12 m² große Wohnung bestand aus einem Raum, in dem die ganze Familie wohnte, lebte und schlief und einer Nasszelle mit Bodentoilette und Wasserschlauch, einem/Wassereimer und einer Kochnische. Darin lebten die beiden Ehepartner gemeinsam mit ihren beiden Kindern. Positiv beeindruckt hat die Bundestagsabgeordnete das große Engagement der Eltern für die Bildung sowohl ihres Sohns als auch ihrer Tochter.
Um ihrer Erfahrungen besser politisch einordnen zu können, erinnerte Bärbel Kofler daran, dass derzeit Indien als Textilproduzent für Europa und Deutschland eher an Bedeutung verliert. Wichtigste Länder in der Textilproduktion sind mittlerweile andere: Bangladesch, Pakistan, Kambodscha, China, immer mehr Myanmar und Teile der Produktion wandern zwischenzeitlich auch nach Afrika ab.
In der anschließenden Diskussion ergriffen mehrere Teilnehmer das Wort, um für fair gehandelte Produkte zu werben. Kritik wurde an der „Geiz ist geil“-Mentalität geübt, die zu schlechten Arbeitsbedingungen und Löhnen beitrage. Bärbel Kofler stellte allerdings fest, dass auch teuere Produkte nicht unbedingt unter besseren Bedingungen hergestellt werden. „Teuer bedeutet nicht automatisch fair“, machte sie deutlich und berichtete aus ihrer eigenen Erfahrung, dass in der Fabrik zuerst Billigerzeugnisse über die Produktionsstraßen liefen und danach auf den gleichen Maschinen für Nobelmarken produziert wurde. Für die Arbeiter mache es keinen Unterschied, wie teuer die Bekleidung dann verkauft werde.
In der Diskussion bekannte sich Bärbel Kofler für eine bessere Durchsetzung von Kernarbeitsnormen durch verpflichtende Klauseln in internationalen Handelsverträgen. Dies ist wichtig, weil nur dann in den Produzentenländern Arbeitnehmer für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen können. Es geht hier z.B. um die Vereinigungsfreiheit, also um das Recht sich in Gewerkschaften zu engagieren. Und sie rief die heimischen Kommunalpolitiker dazu auf, sich auch in der eigenen Stadt oder Gemeinde für fairen Handel einzusetzen. Zum Abschluss der Veranstaltung kündigte Roman Niederberger an, dass die SPD im Berchtesgadener Land weitere Veranstaltungen und Aktionen zum Thema fairer Handel anbieten wird.